Macht Innovation glücklich? Erkenntnisse der Neurobiologie

Vereinfacht gesagt verfolgen Unternehmen mithilfe von Innovation das Ziel, ihre Kunden glücklich zu machen. Doch macht Innovation auch den Innovatoren selbst glücklich?

Jede/r, der sich im Innovationsumfeld bewegt, würde wohl bestätigen, dass die Arbeit mit Design Thinking und Innovation sie/ihn irgendwie zufrieden, wenn nicht sogar glücklich macht. Wie kommt das? Schauen wir uns die Eckwerte erfolgreicher Innovationsteams unter der Perspektive der Neurowissenschaften an, so erhalten wir ein besseres Verständnis, weshalb Innovation von den Betroffenen oft als „fesselnde und sinnvolle Tätigkeit“ erlebt wird.

1. Probleme lösen & Feedback erhalten

Unser Gehirn liebt es, Probleme zu lösen. Je herausfordernder desto besser. Hauptsache das Gehirn kann etwas dabei lernen. Denn Lernprozesse schütten neurobiologisch betrachtet grosse Dosen an Glückshormonen aus. Unser Gehirn ist ein „Suchtorgan“. Die Evolution hat uns mit einem Programm versehen, das bei jeder erfolgreich gelösten Aufgabe eine Glückshormone ausschüttet und uns dadurch für das Gelernte belohnt und zu neuen Herausforderungen motiviert. Deshalb spielen wir Sudoku, lernen neue Sprachen und betreiben Extremsport. Je realer die Herausforderung umso motivierender ist sie. Deshalb vergessen wir übrigens das Meiste, das wir in der Schule lernen gleich wieder. Denn für die Kidz sind die Problemstellungen weder real noch relevant. Das Gehirn lässt sich eben nicht mit der Vertröstung „lernen für später“ hinters Licht führen.

Das ist der erste Grund, weshalb im Innovationsprozess viele Glückshormone – von Serotonin über Dopamin und Endorphin – im Spiel sind. Wir lösen reale Probleme für reale Menschen! Und diese Probleme sind meist tricky und wicked! Eine Challenge eben. Und das motiviert unser Zentralsteuerungsorgan ganz besonders. Die Neuronen feuern, was sie nur können. Und in der Regel arbeitet man in agilem Vorgehen mit Kundenfeedbacks und Prototypen. Auch das liebt unser Gehirn, denn es erkennt dadurch sehr schnell, ob es mit seinen Überlegungen auf dem richtigen Weg ist oder nicht. „Learn – build –measure“ ist im Prinzip ein uraltes Programm.

2. Sich mit Empathie in den Kunden versetzen

Dass wir im Innovationsprozess nicht unsere eigenen Probleme, sondern die Probleme unserer Kunde lösen wollen, setzt beim Innovatoren die Fähigkeit voraus, sich in die Erlebniswelt des Kunden versetzen zu können. Mit Empathie versuchen wir nachzuvollziehen, was unseren Kunden bewegt. Ob wir den Kunden und sein Verhalten nun cool und sympathisch finden oder nicht ist einerlei. Wir versuchen uns möglichst neutral und empathisch in ihn hinein zu versetzen. Neurowissenschaftlich gesprochen sind hier die sogenannten Spiegelneuronen am Werk. Spiegelneuronen sind wohl das, was den Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet, nämlich die Fähigkeit zur Empathie. Spiegelneuronen „spiegeln“ die Erlebnisse und Gefühle des Gegenübers in uns selbst. Sie reproduzieren die Erlebniswelt der Anderen in unserem eigenen Nervensystem. Deshalb können wir Mitfreude, Mitgefühl usw. mit unseren Mitmenschen empfinden.

Zwei Prozesse kommen hier in Gang. Erstens schüttet unser Gehirn bei Aktivierung von Empathie Hormone wie Oxytocin und Cortisol aus, die eine stimmungsaufheiternde Wirkung haben. Zweitens tritt vorübergehend unser „kleines Ich“ in Hintergrund, weil wir uns mit Haut und Haar unserer Zielgruppe widmen. Das hat eine sehr befreiende Wirkung, wenn es für einmal – und auch wenn nur für kurze Zeit – nicht um „me and myself“ geht. Immerhin zielen sämtliche spirituellen Lehren von Ost bis West genau auf diesen „Ich befreiten“ Zustand ab!

3. Freiheit, Kreativität und Gestaltungsraum

In der Innovation versuchen wir neue und kreative Lösungen zu entwickeln. Wir fragen uns ständig „wie könnte man noch…?“ Dabei orientieren wir uns zwar an hilfreichen Prozessen und nutzen Tools. Doch altbackene Regeln wären dabei nur hinderlich. Freiheit, Kreativität und Unternehmensgeist sind gefragt. Nur so erweitern wir unseren Horizont oder durchbrechen die Schallgrenze der Innovation, wie es mein guter Freund und Innovationsexperte JP Hagmann sagen würde.

Im Prinzip nutzen wir hier einen Modus, der uns letztendlich in der Evolution vorwärts gebracht hat. Auch im Paläolithikum haben sich die Neandertaler gefragt, was man mit einem Knochen sonst noch tun könnte. Auch hier sind die „suchtfördernden“ Hormone im Spiel, die uns helfen, das Gelernte nach jeder Iteration in unserem neuronalen Netzwerk zu verankern und weiter zu entwickeln.

4. Kooperation: Arbeiten in heterogenen Teams

Der Neurobiologe Prof. Dr. Joachim Baur schreibt in seinem Buch „Prinzip Menschlichkeit“ sehr treffend: „Das Beste für den Menschen ist der Mensch (…) Nichts macht uns Menschen glücklicher als gesunde und bereichernde Beziehungen und Kooperation zu anderen Menschen.“

In der Innovation arbeitet man meistens in interdisziplinären Teams, denn es braucht vielfältige Perspektiven auf die anstehenden Problemstellungen. Doch diese Heterogenität können wir uns nur dann zunutze machen, wenn die Zusammenarbeit im Team „rockt“. Im Idealfall geraten wir in einen kollektiven Flow und es entstehen Erkenntnisse und Ergebnisse, die man nicht für möglich hielt. Genau das ist die Erfahrung von der Joachim Baur spricht. Jedes Teammitglied fühlt sich von der kreativen Energie beflügelt. Man ist extrem produktiv und fühlt sich am Ende des Tages trotzdem elektrisiert. Unterdessen weiss man dank vielen Studien auch, dass bereicherndes Teamwork nicht nur die Effektivität um ein Vielfaches steigern kann, sondern sich auch stark positiv auf die Gesundheit des Einzelnen auswirkt.

5. Transzendenz: Die Welt ein klein wenig verbessern

Und zum Schluss lehne ich mich weit aus dem Fenster hinaus! Könnte es sein, dass Innovation sogar eine transzendente Komponente hat und damit ein zentrales menschliches Bedürfnis befriedigt, etwas Sinnvolles zu erschaffen?

Transzendenz stammt vom lateinischen Begriff transcendentia „das Übersteigen“. Transzendenz ist demnach ein Prozess bei dem der Einzelne „über sich hinauswächst“ und zusammen mit seinem Team „etwas Grösseres als man selbst erschafft“.

Im Idealfall entsteht am Ende eines erfolgreichen Innovation Sprints ein Produkt oder eine Dienstleistung, die das Leben von Menschen substantiell verbessern. Mindestens ist das meine persönliche Motivation, mit meiner Kreativität und Innovationskraft immer wieder zu versuchen, einen kleinen Beitrag für verbesserte Lebensqualität von Menschen zu leisten. Die Befriedigung ähnelt in diesem Sinne tatsächlich einer transzendenten Erfahrung. Denn gemeinsam wurde etwas erschaffen, das ohne unser Zutun nicht hätte sein können.

Und deshalb mag ich mit der Frage nach dem „Why“ an dich schliessen: Wofür setzt du deine Innovationskraft ein? Was ist dein Purpose in der Innovation? Erfindest du nur die 25‘000ste Zahnbürste oder sonst ein Produkt, das die Welt nicht braucht, oder widmest du dich Ideen, die das Potenzial haben, das Leben von Menschen substanziell zu verbessern?

Deine Rückmeldung würde mich auf jeden Fall freuen. Ich wünsche dir bei deiner Innovation weiterhin viel Erfolg und eine hohe Dosis Glückshormone (was unter dem Strich dasselbe ist).

Dino Beerli | Superloop Innovation